ARMUT UND GESUNDHEIT TEIL II – SÜDOSTASIEN

von Univ. Prof. Dr. Walter Hasibeder

Im Jahr 1996 existierten in Südostasien, durch Spekulationsgeschäfte bedingt, unveräußerbare Immobilien im Wert von zirka 20 Milliarden Dollar. In den Jahren zuvor hatte die Weltbank, auf Drängen asiatischer Regierungen, Wirtschaftsberichte geschönt um den ostasiatischen Staaten eine höhere Kreditwürdigkeit zu attestieren. Zahlreiche Investoren wurden auf diesem Wege in die entsprechenden Staaten gelockt und ein massiver Bauboom initiiert.

Anfang 1997 wettete der international bekannte Spekulant Georg Soros mit seinem Hedgefonds „Quantum Fund“, dass die ostasiatische Währung überbewertet sei. Die in der Folge ausgelöste Panik auf den Weltmärkten führte zu massiven Wertverlusten des thailändischen Baht und der indonesischen Rupiah. Beide Währungen verloren innerhalb eines Jahres fast 80% ihres Wertes. Die Folgen waren eine Zunahme der Lebensmittelpreise, steigende Arbeitslosigkeit und ein Einbruch in der medizinischen Versorgungsqualität der Bevölkerung besonders in Südkorea, Indonesien und Thailand.

Hunger, zunehmende Mangelernährung führten zu deutlichen Zunahmen der Säuglings- und Kindersterblichkeit sowie zu kindlichen Entwicklungsdefiziten, deren Folgen die Betroffenen bis heute zu tragen haben. In Thailand wurden 1998 um 22% mehr Anämiefälle, als in den Jahren vor der Wirtschaftskrise, erfasst. Die Selbstmordraten nahmen in Südkorea um 45%, in Thailand um 60% zu.

Durch den Internationalen Währungsfonds wurde, den betroffenen Ländern die um internationale Hilfe ansuchten, ein striktes Sparprogramm verordnet. Bis auf das südasiatische Land Malaysia nahmen Thailand, Südkorea und Indonesien Kredite unter harten Sparauflagen an. In den Ländern die sich den verordneten Sparprogrammen des IWF untergeordnet hatten kam es zu dramatischen Rückgängen des Bruttoinlandproduktes (Südkorea -30%; Thailand -27%; Indonesien -56%). Gleichzeitig stiegen die Preise im Medikamentenbereich z.B. für Insuline, Schmerzmittel und andere lebenswichtige Pharmaka drastisch an. Die Kosten für die medizinische Versorgung in Indonesien stiegen durchschnittlich um 67% was einen Ausschluss der ärmsten Bevölkerungsschichten von Gesundheitsleistungen bedeutet.

Zahlreiche Krankenhäuser wurden geschlossen. HIV-Präventionsprogramme wie z.B. die Verteilung kostenloser Kondome an Prostituierte wurden stark reduziert. In der Folge entwickelte sich eine rasche Zunahme von HIV-Neuinfektionen. Aufgrund der mit HIV verbundenen allgemeinen Immunschwäche stieg die Zahl von akuten und chronisch verlaufenden Infektionskrankheiten wie z.B. der Tuberkulose. In den Jahren 1997 bis 2002 nahm die Zahl der Todesfälle durch Tuberkulose, HIV und anderen Infektionskrankheiten um 50.000 Fälle zu. Die Anzahl der mit HIV infizierten Waisenkinder stieg in 4 Jahren von 15.400 auf 23.400 (+ 34%) an. Die Hälfte dieser Kinder starb, aufgrund fehlender medizinischer Versorgung, vor dem fünften Lebensjahr.

Im Gegensatz zu Südkorea, Thailand und Indonesien lehnte Malaysia trotz der Wirtschaftskrise, unter dem Druck von Massendemonstrationen der eigenen Bevölkerung, Hilfskredite des Internationalen Währungsfonds ab. Malaysia knüpfte ein eigenständiges Konjunkturpaket, dass mit einer Stärkung der sozialen Sicherungssysteme, der staatlichen Preisregulation von Grundnahrungsmittel, gesetzlicher Begrenzungen von Spekulationsgeschäften und strikter Kopplung der Währung an den US-Dollar punktete. Die Gesundheitsausgaben wurden nicht gesenkt sondern deutlich erhöht. Durch diese Maßnahmen konnten Hunger, Mangelernährung, erhöhte Säuglings- und Kindersterblichkeit, sowie Zunahmen von Infektionskrankheiten vermieden werden. In diesem Zusammenhang ist interessant, dass Malaysia auch das erste südostasiatische Land war in dem sich die Wirtschaft erholt hat.

Literatur:

1) Stuckler D, Basu S. Sparprogramme töten – die Ökonomisierung der Gesundheit. Deutsche Ausgabe Wagenbach Verlag 2014

2) Hawker JI, Bakhsi SS, Farrington CP. Ecological analysis of ethnic differences in relation between tuberculosis and poverty. BMJ 1999;319:1031-1334

3) Tangcharoensathien V, Harnvoravongchai P, Pitayarangsarit S, Kasemsup V. Health impacts of rapid economic changes in Thailand. Soc Sci Med 2000;51:789-807

Comments are closed.