AKTIVE STERBEHILFE IN ÖSTERREICH

von Prim. Univ.-Prof. Dr. Ewald Wöll, Prim. Univ.-Doz. Dr. Peter Sandbichler und Prim. Univ.-Prof. Dr. Walter Hasibeder

Als leitende Fachärzte der Inneren Medizin, Chirurgie und Anästhesie lehnen wir eine Lockerung der derzeit gültigen Gesetze bezüglich aktiver Sterbehilfe klar und eindeutig ab. Die gängigen, in der Öffentlichkeit häufig gebrauchten Argumente der Befürworter einer aktiven Sterbehilfe wie z.B. ein Beenden unerträglichen Leidens, können wir nicht nachvollziehen.

Wir möchten jedoch in diesem Zusammenhang die Aufmerksamkeit einer interessierten Öffentlichkeit darauf lenken, dass es in Österreich nach wie vor an qualifizierter schmerztherapeutischer und palliativmedizinischer Betreuung fehlt – und zwar sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich. Ein österreichweit flächendeckender Ausbau entsprechender Strukturen würde vielen schwerkranken Patienten ein würdevolles, schmerz-, angst- und stressarmes Leben bis zum Tod ermöglichen.

Leider ist derzeit die Ausbildung in der Schmerztherapie und in der Palliativtherapie im Medizinstudium völlig unzureichend repräsentiert. Fundiertes schmerztherapeutisches und palliativmedizinisches Wissen wird auch in der postpromotionellen Ausbildung nicht verpflichtend vermittelt.

Als weiteres großes Problem sehen wir, dass ethisches Denken und ethischer Diskurs in der Behandlung schwerkranker PatientInnen in Österreich kaum stattfindet und aufgrund dessen nur selten vernünftige Grenzen der medizinischen Behandlung festgelegt werden. Erschwerend kommt hinzu, dass in den letzten 10 Jahren die Ökonomie in Form neuer „GesundheitsexpertInnen“ und KrankenhausmanagerInnen, deren Ausbildung keinerlei praktischen Bezug zur PatientInnenversorgung hat, zunehmenden Einfluss auf das ärztliche Tun gewonnen hat. So werden von einigen Krankenhausträgern in Österreich Dienstverträge mit leitenden ÄrztInnen mit der Forderung nach jährlichen Leistungssteigerungen in Form zusätzlicher Einnahmen für das Krankenhaus verknüpft. Diese Entwicklung steht im krassen Gegensatz zu einer sich an ethischen Maßstäben orientierenden Therapie und stellt unserer Meinung nach einen nicht zu unterschätzenden Kostenfaktor für das österreichische Gesundheitssystem dar.

Unkritische Indikationsstellungen für belastende Therapieformen haben im letzten Jahrzehnt zur Schaffung eines neuen Krankheitsbildes geführt, das kurz als „chronische Intensiverkrankung (=chronic critical illness)“ bezeichnet wird. Patienten mit diesem Krankheitsbild sind auf dauerhafte Pflege angewiesen, werden wiederholt an intensivmedizinischen Einrichtungen aufgenommen oder verlassen diese nicht mehr und werden dort oft monatelang behandelt, obwohl sie nicht rehabilitierbar sind. Allein in den USA werden die Gesundheitskosten dieses neuen Krankheitsbildes auf viele Millionen Dollar pro Jahr geschätzt.

Unserer Meinung nach müssen PatientInnen vor großen Eingriffen oder belastenden medikamentösen Therapien ausreichend über die Häufigkeit und Schwere der damit einhergehender Nebenwirkungen aufgeklärt werden. Das bedeutet auch, dass vorab Gespräche darüber stattfinden, was der PatientInnenwunsch in einem „Worst Case Scenario“ wäre. In Österreich gäbe es sowohl die Möglichkeit seine individuellen Wünsche hinsichtlich lebensverlängernder Therapien im Falle schwerer Erkrankungen im Rahmen einer Patientenverfügung als auch mit dem Instrument der Vorsorge-vollmacht festzulegen und so im Falle eines unheilbaren Zustandes verlängertes Leiden zu verhindern.

Wir fordern daher die Verantwortlichen im österreichischen Gesundheitssystem auf:

  • die Grundlagen für eine verpflichtende fundierte schmerz- und palliativmedizinische Ausbildung sowohl während des Studiums als auch postpromotionell zu schaffen.
  • österreichweit eine schmerz- und palliativmedizinische Versorgung zu gewährleisten, und zwar stationär und ambulant.
  • Dienstverträge im praktisch medizinischen Tätigkeitsbereich, die an jährliche finanzielle Mehreinnahmen gekoppelt werden, generell zu verbieten.
  • gesetzliche Grundlagen dafür zu schaffen, dass PatientInnen vor großen, risikoreichen Eingriffen oder belastenden medikamentösen Therapien aktiv und ohne Zusatzkosten die Möglichkeit der Patientenverfügung bzw. Vorsorgevollmacht nützen können.

Wenn es gelingt in Österreich eine flächendeckende, qualitativ hochwertige palliativmedizinische und schmerztherapeutische Versorgung unserer PatientInnen zu schaffen, dann ist es nach unserer Meinung nicht nur unnötig und unverantwortlich, sondern schlichtweg falsch, gesetzliche Grundlagen für die so genannte aktive Sterbehilfe zu schaffen.

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